Versteckte Zuckerzusätze in Kräutertee: Was die Nährwerttabelle wirklich verrät
Kräutertee gilt als Inbegriff gesunder Ernährung. Viele Menschen greifen bewusst zu diesen Produkten, um ihren Körper mit natürlichen Inhaltsstoffen zu versorgen und auf unnötige Kalorien zu verzichten. Doch ein genauer Blick auf die Verpackungen offenbart eine überraschende Wahrheit: Nicht jeder Kräutertee ist so unschuldig, wie er auf den ersten Blick erscheint. Die Nährwerttabelle, eigentlich ein Instrument für Transparenz, kann zur Stolperfalle werden, besonders wenn es um versteckte Zuckerzusätze geht.
Wenn aus Kräutern plötzlich Süßigkeiten werden
Der Griff zum Kräutertee erfolgt oft aus gesundheitlichen Überlegungen. Ob zur Entspannung am Abend, zur Unterstützung der Verdauung oder einfach als kalorienfreie Alternative zu gezuckerten Getränken – die Erwartungshaltung ist klar: natürlich und ohne Zusätze. Die Realität sieht allerdings anders aus. Verschiedene Hersteller reichern ihre Produkte mit Zucker, Maltodextrin, Dextrose oder anderen süßenden Substanzen an, ohne dass dies auf der Vorderseite der Verpackung deutlich wird.
Das perfide daran: Die bildliche Gestaltung mit Heilkräutern, Blüten und naturnahen Motiven suggeriert Reinheit. Begriffe wie „natürlich“, „Kräutermischung“ oder „aus kontrolliertem Anbau“ verstärken diesen Eindruck. Erst das Kleingedruckte offenbart die Wahrheit, sofern man weiß, worauf zu achten ist.
Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein hat bei einer umfangreichen Untersuchung von 76 aromatisierten losen Früchtetees festgestellt, dass fast alle Aromen und ein Viertel sogar zugesetzten Zucker enthielten. Bei Kräutertees zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Zugabe von Süßungsmitteln ist in der Teebranche weit verbreitet, auch dort, wo Verbraucher es am wenigsten erwarten.
Die Tücken der Nährwerttabelle richtig deuten
Die gesetzlich vorgeschriebene Nährwerttabelle sollte eigentlich Klarheit schaffen. Doch gerade bei Teeprodukten entstehen Verwirrungen, die selbst aufmerksame Verbraucher in die Irre führen können. Der Grund liegt in der Art der Darstellung.
Der Unterschied zwischen Pulver und Aufguss
Entscheidend ist die Frage: Bezieht sich die Nährwertangabe auf das trockene Produkt oder auf das fertig zubereitete Getränk? Bei losen Kräutern oder Teebeuteln ohne Zusätze spielen die Nährwerte pro 100 Gramm Trockenprodukt kaum eine Rolle, da nur wenige Gramm für einen Aufguss verwendet werden. Anders verhält es sich bei Instantprodukten oder Teemischungen mit löslichen Bestandteilen.
Manche Hersteller geben die Nährwerte pro 100 Milliliter zubereiteten Tee an, was zunächst verbraucherfreundlich klingt. Doch Vorsicht: Die Zubereitungsempfehlung kann variieren. Während ein Hersteller zwei Teelöffel pro Tasse empfiehlt, reicht bei einem anderen bereits ein halber. Die Nährwertangaben basieren dann auf unterschiedlichen Konzentrationen, was einen direkten Vergleich unmöglich macht.
Süßende Substanzen unter zahlreichen Bezeichnungen
Ein Blick in die Zutatenliste ist unverzichtbar, denn hier verstecken sich süßende Substanzen unter zahlreichen Bezeichnungen. Neben dem offensichtlichen „Zucker“ finden sich Begriffe wie Fruktose, Glukosesirup, Maltodextrin, Saccharose, Invertzuckersirup oder Agavendicksaft. Alle erhöhen den Zuckergehalt, werden aber nicht immer als solche erkannt. Tatsächlich versteckt sich Zucker hinter vielen Namen, die auf den ersten Blick nicht als Süßungsmittel zu erkennen sind.
Besonders tückisch: Die Reihenfolge der Zutaten gibt Aufschluss über die Menge. Steht eine dieser Zuckerarten weit vorne, ist ihr Anteil entsprechend hoch. Durch die Verwendung verschiedener Zuckerarten können Hersteller jedoch vermeiden, dass „Zucker“ an erster Stelle steht, obwohl die Gesamtsumme aller süßenden Zutaten beträchtlich sein kann.
Warum überhaupt Zucker in Kräutertee?
Die Frage liegt nahe: Weshalb fügen Hersteller einem von Natur aus zuckerfreien Produkt süßende Substanzen hinzu? Die Antworten sind vielfältig und haben meist wenig mit den Bedürfnissen gesundheitsbewusster Verbraucher zu tun. Zur Geschmacksoptimierung werden bittere oder erdige Noten durch Süße überdeckt, was die Akzeptanz erhöht, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Bei Instantprodukten dienen Zucker und Maltodextrin als Trägerstoffe für bessere Löslichkeit, die sich schnell in heißem Wasser auflösen. Sie erleichtern die Herstellung und verlängern die Haltbarkeit.
Süßungsmittel können außerdem die Konsistenz pulverförmiger Produkte beeinflussen und verhindern, dass diese verklumpen. Nicht zuletzt spielt das Marketing eine Rolle: Ein süßerer Geschmack führt oft zu höherer Kundenzufriedenheit und Wiederkaufsraten, selbst wenn dies dem gesundheitlichen Anspruch widerspricht.

Konkrete Fallstricke beim Einkauf erkennen
Um nicht in die Zuckerfalle zu tappen, hilft es, typische Produktkategorien zu kennen, bei denen besondere Vorsicht geboten ist. Instant-Teemischungen versprechen schnelle Zubereitung ohne Ziehzeit. Der Preis dafür ist oft ein hoher Zuckeranteil. Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Bremen zu Eisteegetränken ergab, dass der Zuckergehalt in solchen Produkten zwischen 0 und 8,8 Gramm pro 100 Milliliter liegt, mit einem Durchschnitt von 5,77 Gramm pro 100 Milliliter. Bei einem Glas von 250 Millilitern können das bis zu 22 Gramm Zucker sein.
Aromatisierte Wellness-Tees mit Bezeichnungen wie „Entspannung“, „Energie“ oder „Immun-Boost“ enthalten häufig neben Kräutern auch Fruchtstücke, natürliche Aromen und eben Zucker. Die gesundheitlichen Versprechen auf der Verpackung lenken von der tatsächlichen Zusammensetzung ab. Die Verbraucherzentrale stellte fest, dass 21 von 76 untersuchten Teemischungen gezuckerte oder kandierte Früchte enthielten.
Speziell Kinder-Kräutertees verdienen besondere Aufmerksamkeit. Die ehemalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner strebte ein Verbot von Zucker und Süßungsmitteln in Baby- und Kleinkindertees an, ein deutlicher Hinweis darauf, dass Zuckerzusätze in dieser Kategorie ein erkanntes Problem darstellen. Der milde, süße Geschmack soll Kinder an Tee heranführen, schafft aber gleichzeitig eine Gewöhnung an Süße, die ernährungsphysiologisch fragwürdig ist.
So schützen Sie sich vor ungewollten Zuckerzusätzen
Mit einigen praktischen Strategien lässt sich der Einkauf von Kräutertee deutlich sicherer gestalten. Beginnen Sie immer mit der Zutatenliste, denn hier müssen alle Bestandteile aufgeführt sein. Fehlen Zuckerarten komplett, ist das Produkt in der Regel unbedenklich. Achten Sie bei den Nährwerten darauf, ob Kohlenhydrate und davon Zucker angegeben werden. Bei reinem Kräutertee sollten diese Werte bei null oder minimal liegen, sowohl im Trockenprodukt als auch im Aufguss.
Ganze Kräuter, Blätter und Blüten in loser Form sind schwerer zu manipulieren als verarbeitete Produkte. Was Sie sehen, ist in der Regel auch drin. Die Untersuchung der Verbraucherzentrale zeigte außerdem, dass nur Bio-Tees allein mit der natürlichen Süße ihrer Zutaten auskamen, ohne zusätzliche Zuckerzusätze. Wenn die empfohlene Dosierung ungewöhnlich hoch erscheint, könnte dies ein Hinweis auf einen niedrigen Wirkstoffgehalt sein, ausgeglichen durch Füllstoffe oder Zucker.
Schmeckt ein vermeintlich purer Kräutertee auffallend süß, ohne dass Sie Honig oder Ähnliches zugegeben haben, ist dies ein Warnsignal. Hersteller bewegen sich oft geschickt innerhalb gesetzlicher Vorgaben. Die Kennzeichnungspflicht ist zwar vorhanden, doch Formulierungen auf der Vorderseite der Verpackung unterliegen weniger strengen Regeln. Begriffe wie „natürlicher Geschmack“ sagen nichts über Zuckerzusätze aus. Selbst „ohne Zuckerzusatz“ kann irreführend sein, wenn natürliche Zuckerquellen wie Fruchtsaftkonzentrate verwendet werden.
Gesundheitliche Konsequenzen unterschätzter Zuckerzufuhr
Wer täglich mehrere Tassen eines vermeintlich gesunden Kräutertees trinkt, kann unbemerkt erhebliche Zuckermengen zu sich nehmen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 25 Gramm freien Zucker pro Tag nicht zu überschreiten, eine Empfehlung, die auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gestützt wird. Eine einzige Tasse eines zuckerhaltigen Instant-Kräutertees kann bereits fünf bis zehn Gramm enthalten. Bei drei bis vier Tassen summiert sich dies beträchtlich.
Die Folgen reichen von Gewichtszunahme über Karies bis hin zu einem erhöhten Risiko für Stoffwechselerkrankungen. Besonders bitter: Menschen, die bewusst auf gesunde Ernährung achten und deshalb zu Kräutertee greifen, erreichen damit das Gegenteil ihrer Absicht. Die Lebensmittelindustrie wird weiterhin Produkte herstellen, die wirtschaftlich erfolgreich sind, auch wenn dies manchmal auf Kosten der Gesundheit geht.
Eigenverantwortung als Schlüssel
Der bewusste Umgang mit Nährwertangaben und Zutatenlisten mag anfangs mühsam erscheinen. Mit etwas Übung entwickelt sich jedoch ein geschulter Blick, der im Supermarkt schnell zwischen empfehlenswerten und problematischen Produkten unterscheiden kann. Wer einmal verstanden hat, worauf zu achten ist, wird nicht nur bei Kräutertee, sondern bei allen Lebensmitteln sicherer und gesundheitsbewusster einkaufen können.
Kräutertee kann und sollte ein gesundes Getränk sein. Die Verantwortung dafür, dass er dies auch bleibt, liegt jedoch nicht allein bei den Herstellern. Verbraucher, die ihre Rechte kennen und kritisch hinterfragen, schützen sich selbst am wirksamsten vor unerwünschten Zutaten und senden gleichzeitig ein Signal an die Industrie, dass Transparenz und Ehrlichkeit geschätzt werden.
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